Veröffentlichung: „Unter pinken Sternen“ von Sabrina Schuh
Endlich ist es da! Heute erscheint mit „Unter pinken Sternen“ das zweite Buch von Sabrina Schuh – eine Märchenadaption der Grimmschen Sterntaler. Ein paar Hintergrundinfos zum 15. Buch der Märchenspinnerei habt ihr von der Autorin bereits beim Coverrelease bekommen, nun spricht sie zum Release noch einmal darüber, warum sie genau dieses Thema gewählt hat und wie die Recherche dazu für sie war.
Obdachlose – Was hast du denn damit zu tun?
Diese Frage beantworte ich gerne mit der Gegenfrage: Warum habe ich nichts damit zu tun? Es kann jeden von uns treffen und das ganz unvorbereitet und unverschuldet. Wir wissen nie, wie es im Leben kommt, trotzdem verschließen wir die Augen lieber vor den Obdachlosen auf den Straßen und tun so, als gingen sie uns nichts an. Wenn wir einen guten Tag haben, werfen wir ihnen etwas Geld oder übriggebliebenes Essen hin und fühlen uns dabei auch noch toll. Wie sie durch die Hitzeperioden, die kalten Winter, die windigen und verregneten Tage kommen, darüber machen wir uns kaum oder keine Gedanken.
Aber warum ist das so? Warum sehen wir lieber weg? Es sind Menschen und sie brauchen Hilfe. Hinsehen ist der erste Schritt und Umdenken der zweite. Vielleicht kann mein Buch ja einen winzigen Beitrag dazu leisten, dass mehr Menschen genau damit anfangen.
Wie geht man so eine Recherche an?
Na ja, vorne eben. Man entscheidet sich zunächst einmal, wie man recherchieren möchte. Lieber online, lieber direkt bei Menschen. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Für mich stand fest, dass ich die Figuren nur dann authentisch gestalten kann, wenn ich Menschen in solchen Situationen auch getroffen und mit ihnen geredet habe. Wenn ich ihre Geschichten kenne und höre, was sie über sich selbst und die Gesellschaft denken.
Als Nächstes galt es, festzulegen, wo ich recherchieren wollte. Da das Setting von „Unter pinken Sternen“ eine größere Stadt ist, habe ich mich dafür entschieden, auch die Recherche in solchen Städten durchzuführen. Also habe ich mir soziale Einrichtungen wie Bahnhofsmissionen, Wärmestuben und Suppenküchen im Internet zusammengesucht, mich über deren Arbeit informiert und Kontakt aufgenommen. Nachdem ich einige Einrichtungen gefunden hatte, die mit mir zusammenarbeiten wollten, konnte ich richtig loslegen.
Wie lief die Recherche ab?
Ich habe Termine mit den Einrichtungen vereinbart und einfach mitgemacht. Das hat mir sehr gute Einblicke gegeben, wie dort gearbeitet wird und wie der Ablauf funktioniert. Außerdem habe ich so erfahren, welche Möglichkeiten den Obdachlosen in den Einrichtungen zur Verfügung stehen. Dann habe ich mit Sozialarbeitern, Sicherheitspersonal, Streetworkern und ehrenamtlichen Helfern gesprochen, um mich über deren Aufgaben und Vorgehen zu informieren.
Die ersten Kontakte zu Obdachlosen kamen dann ganz von selbst. Die ersten persönlichen Gespräche, Diskussionen und Geschichten ergaben sich, außerdem habe ich viel darüber erfahren, wo auf den Straßen ich weitere von ihnen antreffen konnte. Das war dann der nächste Schritt. Selbst auf die Straßen zu gehen, an die Schlafstellen etc. und weitere Gespräche zu führen. Natürlich war nicht jeder bereit, mit mir zu reden, aber egal, ob ich etwas erfahren habe oder nicht, der Umgang mit mir war nie aggressiv.
Vertrauen war ein großes Thema. Die Gespräche waren nicht immer einfach, denn die Stimmungslage der Menschen kippte teilweise minutlich von „tolle Idee, ich erzähle dir gerne was“ zu „was geht dich mein Leben an“ und wieder zurück, aber das war in Ordnung. Viele haben Schlimmes erlebt und Vertrauensprobleme. Ich musste mich auf die Leute einlassen, sie nehmen, wie sie waren, und vor allem respektvoll sein. Dann konnte ich wirklich interessante und bewegende Gespräche führen.
Wie geht man mit all den Geschichten um?
Dieser Teil war tatsächlich die größte Herausforderung. Mir war von vornherein klar, dass ich eine Menge harte Geschichten hören und viele Dinge erfahren würde, die mich emotional mitnehmen würden. Es gab Phasen, in denen habe ich geschrien, weil mich die Ungerechtigkeit wahnsinnig gemacht hat, oder geweint, weil ich mich so hilflos gefühlt habe.
Trotzdem habe ich gelernt, zu sehen, wo ich helfen kann und wo nicht. Manche haben sich schon gefreut, wenn sie reden konnten. Anderen konnte ich mit kleinen, materiellen Dingen zumindest für den Augenblick helfen. Für wieder andere konnte ich leider gar nichts tun. Gerade Letzteres war nicht so einfach, weil es ein Scheißgefühl ist, aber niemand kann allein die Welt retten, egal, wie sehr er es möchte. Viele der Dinge, die ich tun konnte, sind einfach nur Kleinigkeiten gewesen, Dinge, die am nächsten Tag nichts daran geändert haben, dass die Leute in der gleichen Situation waren.
Doch obwohl die Recherche inzwischen einige Monate her ist, beschäftigt mich das Thema weiterhin und vieles an meiner Einstellung hat sich nachhaltig geändert. Ich habe andere Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, wie man helfen kann, und ich werde versuchen, genau da anzusetzen, um etwas zu tun. Und auch, wenn ich noch allein damit bin, hoffe ich, dass „Unter pinken Sternen“ dazu beitragen kann, dass ein paar Menschen diese Überlegung vielleicht ebenfalls anstreben.
Eure Sabrina